Strategien des
Zweitspracherwerbs SE
714 438 – LF 633
ao. Univ. Prof. Peter Cichon WS
1999/2000
L’Afrique noire peut-elle encore parler
français ?
Bedingungen und Formen des Französischerwerbs
im postkolonialen frankophonen Sub-Sahara Afrika
Claudia Wintoch 9101761 A
390 346
Tel. 0699 / 1088 8972 a9101761@unet.univie.ac.at
Inhaltsangabe
1. Einführung in die Problematik
2. Definition der Aufgabe
3. Französischunterricht nach der Unabhängigkeit
4. Aufbau des Pour
Parler Le Français (PPF)
5. Phasen des Pour
Parler Le Français
5.1.
Präsentation
5.2.
„Nutzung“
5.3.
Fixierung
6. Beispiel Ruanda
6.1.
Primäre Ausbildung (enseignement primaire)
6.2.
Sekundäre Ausbildung (enseignement secondaire)
7. Interferenzen
8. Zukunftsperspektiven
9. Anhang
9.1. Auszug aus dem
Lehrerhandbuch von Pour Parler Le
Français
9.2. Lesebuch des 5.
Lernjahres (Burkina Faso) mit Inhaltsangabe
9.3. Persönlicher Brief
eines malischen Schülers der 11. Schulstufe
9.4. Beispiel für regionale
Variante des Französischen in Senegal
10. Bibliographie
1. Einführung in die Problematik
Die vorliegende Arbeit bemüht sich um die Beantwortung der provokanten Frage[1], die als Titel gewählt wurde. Unter „l’Afrique noire“ wird hier das frankophone Sub-Sahara Afrika verstanden, d.h. die ehemaligen Kolonien Frankreichs, in denen Französisch heute den Status einer offiziellen bzw. einer Nationalsprache genießt, sei es alleine oder neben anderen einheimischen Sprachen. Als um das Jahr 1960 die Dekolonisierung einsetzte, stellte sich aus praktischen Gründen niemals die Frage, ob das Französische weiterverwendet oder ebenfalls „abgelegt“ wird. Die Staaten hatten keine echte Wahl, da das Französische die Sprache der Bürokratie, der Jurisdiktion, der Administration, Politik, des Militärs und der Intellektuellen war. Die 60er Jahre waren geprägt von großer Euphorie und Optimismus nach der errungenen Unabhängigkeit. Doch mit der Abreise der Franzosen, reisten auch gut ausgebildete Lehrer und Ausbilder ab. Das Niveau – sowohl auf sprachlicher als auch auf didaktischer Ebene – der Lehrer sank und infolgedessen auch das der Schüler. Weiterhin wurde im Unterricht Französisch als Medium gewählt, um auch alle anderen Fächer zu unterrichten, obwohl die Kinder dieser Sprache nicht mächtig waren. In einigen Ländern erreichte die Dekolonisierung jedoch auch das Bildungswesen. Man erkannte immer mehr die Relevanz und Dominanz der eigenen Muttersprache und erstellte ein Französisch-Lehrbuch und –Programm namens Pour Parler Le Français, das auf die besonderen Gegebenheiten Afrikas – in soziolinguistischer und lexikaler als auch phonologischer Hinsicht – Rücksicht nehmen sollte. Senegal, das u.a. näher betrachtet werden soll, stellte sich dabei als besonders fortschrittlich heraus. Doch der früherer Optimismus wich bald der Ernüchterung. Unterrichtsprojekte, ebenso das Schulfernsehen und –radio, wurden in einem Land nach dem anderen eingestellt. So wurde Pour Parler Le Français vor über 15 Jahren in Senegal eingestellt, als berechtigte Kritik laut wurde und als das Bewusstsein immer größer wurde, wie wichtig die Einschulung in der jeweiligen Muttersprache des Kindes ist. So werden heute in einigen wenigen Ländern die ersten beiden Schulstufen in der Muttersprache unterrichtet[2], bevor der Unterricht auf Französisch fortgesetzt wird. Je höher die Schulstufe, desto seltener findet man Beispiele, wo eine einheimische Sprache als Unterrichtssprache verwendet wird. Auf Universitätsniveau wird ausschließlich Französisch verwendet, was einfach dadurch zu erklären ist, dass die einheimischen Sprachen über kein Vokabular für technische oder wissenschaftliche Ausdrücke besitzen.
Auch der Begriff „le français“ im Titel der vorliegenden Arbeit ist in Bezug auf Afrika nicht so einfach zu verstehen, wie ein Europäer das tun würde. Was versteht man unter „français“ ? Soll das Pariser Standard-Französisch unterrichtet werden oder die lokale Variante ? Welche „Afrikanismen“ sind zu akzeptieren und welche als falsch abzulehnen ? Diese Fragen bleiben zu diskutieren.
2. Definition der Aufgabe
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Unterrichtsmethoden, die in den Jahren seit der Unabhängigkeit mit dem Ziel des Französischerwerbs angewendet wurden. Im Besonderen soll dabei das in Senegal erarbeitete Programm Pour Parler Le Français, das in weiten Teilen des frankophonen Schwarzafrikas verwendet wurde, anhand von Beispielen aus Senegal und Ruanda beschrieben und kritisch betrachtet werden, sowie auf die Gründe seiner Verwerfung vor über zehn Jahren eingegangen werden.
Dabei stellt sich auch obige Frage nach dem zu unterrichtenden Standard des Französischen. Um einer Antwort näher zu kommen, betrachte ich die vorhandenen Interferenzen zwischen dem Französischen und der jeweiligen einheimischen Muttersprache. Zuletzt werde ich noch auf die Zukunftsperspektiven eingehen.
3. Französischunterricht nach der Unabhängigkeit
Nach Erlangung der Unabhängigkeit standen die frankophonen Staaten plötzlich vor drei Möglichkeiten, was den Französischunterricht betraf. Sie konnten einerseits mit den bisherigen Methoden und Materialien weiter unterrichten (die für die Kinder Frankreichs konzipiert waren), oder das Französische vollkommen verwerfen und in der jeweiligen Muttersprache des Kindes unterrichten (was die Existenz des Französischen verleugnet hätte und was bei der großen Anzahl autochthoner Sprachen nicht umsetzbar wäre) oder anhand kontrastiver Untersuchungen einheimischer Sprachen unter Bezugnahme des soziokulturellen Umfeldes einen neuen Lehrplan und Unterrichtsmaterial für das Französische erstellen und diese Sprache auch als einzige Unterrichtssprache beibehalten.
Viele Länder
entschieden sich für die erste Variante und unterrichteten auf die altbewährte
Weise weiter. Einige jedoch, wie zum Beispiel Senegal und Ruanda, gründeten
Organisationen wie das Centre de
Linguistique Appliquée de Dakar, das an der Erstellung einer neuen
Afrika-spezifischen Methode arbeitete. So entstand die Methode Pour Parler
Le Français, die ebenfalls im Togo, Benin und Burkina Faso angewandt wurde.
Diese Methode stützt sich auf die folgenden vier Prinzipien[3]:
1. Priorität der oralen Kompetenz
2. Dialoge als Ausgangspunkt für die Lektion
3. Erstellung von begleitenden Büchern für die
Lehrer
4. Einbeziehung der spezifischen Schwierigkeiten
in Phonetik, Grammatik und Lexikon
Diese Prinzipien werfen allerdings auch Probleme
auf, wie zum Beispiel das erste Prinzip der Fokussierung auf die gesprochene
Kompetenz, wie Dumont (1989:15) im folgenden beschreibt:
„Cette pratique révolutionnaire, en son temps, a
été très mal perçue par les parents d’élèves pour qui l’école symbolisait
l’accession à la civilisation de l’écrit. Le prestige de la page écrite reste,
en effet, encore très fort dans les sociétés africaines à tradition orale.“
Die Frage, die ich mir persönliche stelle und die ich leider von niemanden behandelt gefunden habe, ist, wie die Schüler unter diesen Umständen in den anderen Fächern wie Biologie, Geschichte und Mathematik unterrichtet werden können, d.h. ein Heft führen können, inklusive sämtlicher Fachausdrücke, und wie sie später dann das schriftliche baccalauréat absolvieren bzw. die Universität bewältigen. Das Resultat ist wie erwartet. Im Zuge eines Aufenthaltes in Mali hatte ich die Gelegenheit, in das Deutsch-Heft eines Schülers[4] der 11. Schulstufe Einblick zu nehmen. Nicht nur, dass das Deutsche eine Ansammlung von Fehlern darstellte, auch das Französische wäre von einem österreichischen Lehrer nur mit negativ bezeichnet worden. Jedoch sind hierfür viele Faktoren verantwortlich, auf die hier nicht näher eingegangen werden sollen.
Die Erstellung begleitenden Materials für die Lehrer[5] ist nicht nur lobenswert, sondern eine Notwendigkeit. Mit der Abwanderung der Ausbilder aus Frankreich und dem darauffolgenden Qualitätsverlust der Lehrerausbildung, stellt dieses Material eine sehr nützliche Hilfe zum Selbstunterricht und –korrektur dar.
Betreffend des vierten Prinzips muss hervorgehoben werden, dass die erkannte Wichtigkeit der Phonetik, die systematisch gelernt werden muss, eine große Errungenschaft darstellt. So werden anhand von kontrastiven Übungen neue Laute, die die lokalen Sprachen nicht besitzen (wie z.B. häufig das /y/), erlernt und trainiert.
4. Aufbau des Pour Parler Le Français
(PPF)
Nach den oben angeführten Prinzipien wurde in
Senegal das Programm Pour Parler Le
Français erstellt, das in zwei grobe Niveaus unterteilt ist. Das Niveau 1,
das die ersten drei Jahre umfasst, und das Niveau 2, das meistens weitere drei
Jahre (manchmal nur zwei) beinhaltet.
Von Anfang an ist Französisch die einzige
verwendete Sprache. (Oftmals ist der Gebrauch der Muttersprache unter
Bestrafung verboten). Das Ziel des Niveaus 1 ist die Erlernung einer
hauptsächlich mündlichen und praktischen Alltagssprache anhand von Dialogen,
die dem Umfeld der Schüler und ihrer Erlebniswelt tatsächlich entsprechen. Das
dem nicht immer so ist, soll zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt werden. Das
vermittelte Vokabular und die Strukturen werden dem Français Fondamental 1. Stufe entnommen. Letzteres umfasst die am
häufigsten verwendeten Wörter und Strukturen des Französischen, in besonderen
Blick auf Afrika. Was die Grammatik betrifft, so wird diese passiv gelernt
(durch Auswendiglernen von Texten und dessen Wiedergabe) und erst im letzten Jahr
dieses Niveaus wird damit begonnen, Regeln explizit zu erklären.
Ziel des Niveaus 2 ist die Vertiefung des bereits
erworbenen Wissens, mit stärkerer Betonung auf der schriftlichen Kompetenz und
auf der lexikalischen Kompetenz, mittels Zugang zu authentischen Texten und
Entwicklung der Kompetenz auf verschiedenen Sprachniveaus. Français Fondamental 2. Stufe, das wiederum die häufigsten Wörter
beinhaltet, ohne sie jedoch in ihrer Funktion zu beschreiben, dient als
Referenz. Im Niveau 2 werden nicht mehr nur Texte auswendig aufgesagt, sondern
Substitutions- und Transformationsübungen z.B. mithilfe einer Filzwand (auf der
eine Situation dargestellt wird) durchgeführt und so die erlernten Strukturen
in neuen Kontexten gefestigt.
5. Phasen des Pour Parler Le Français
5.1. Präsentation
(Dumont 1989:22)
In der ersten Phase des PPF, der Präsentation,
werden (nach Dumont 1989:20f.) drei Fähigkeiten trainiert: das Gehör und die
Unterscheidungsfähigkeit, das Verständnis (der Lehrer erklärt neues Vokabular)
und das Nachsprechen. Ziel dieser Phase ist es, Laute mit Sinn zu versehen und
die Aussprache zu verbessern. Wie in obiger Tabelle ersichtlich, besteht diese
Phase im Wesentlichen aus der Präsentation des Dialoges, dann wird an der
Aussprache gearbeitet. Nachdem der Dialog semantisch verstanden wurde, wird er
von den Schülern auswendiggelernt und nachgestellt.
5.2.
„Nutzung“
(Dumont 1989:24)
Der Phase der Präsentation folgt die Phase der
„Nutzung“ (Exploitation). Ziel dieser Phase ist es, sich Phrasen anzueignen,
die quasi „automatisch“ abgerufen werden können und diese Strukturen auch in
verschiedenen Kontexten anwenden zu können. So wird auch das Verständnis des
Gelernten verfeinert und verstärkt.
5.3. Fixierung
(Dumont 1989:24)
In der dritten Phase des PPF sollen die erworbenen
Strukturen und das Vokabular gefestigt und erweitert werden. Eine starke
Betonung liegt auf Substitutionsübungen mit dem Ziel der Automatisierung dieser
Strukturen.
6. Beispiel Ruanda
6.1. Primäre Ausbildung (enseignement primaire)
Shyirambere[6]
hat in den Siebziger Jahren die Situation der Schulausbildung in Ruanda
untersucht. Sie stellt dabei folgende gravierende Mängel der primären
Ausbildung fest (Shyirambere 1978:37-49):
Erstens: Zu diesem Zeitpunkt besuchten etwa 330
000 Schüler die „école primaire“. Wegen Platzmangels kam es so zu Klassenzahlen
von bis zu 83, mit einem Durchschnitt von 68 Schülern.
Zweitens: Ein Mangel an Lehrern führte zur
Einführung der „doppelten Belegung“ (double vacation), d.h. ein Lehrer
übernimmt zwei Klassen; eine wird am Vormittag unterrichtet und die andere am
Nachmittag. Diese Vorgehensweise in den ersten drei Schulstufen senkt die
Qualität der Ausbildung beträchtlich. Die Folgen für die Erlernung der
französischen Sprache sind noch in der Sekundären Ausbildung spürbar.
Drittens entspricht der Inhalt der Ausbildung
nicht den Bedürfnissen der Schüler. Ein Großteil kehrt nach der primären
Ausbildung wieder in ihr Dorf zurück. Mehr als 90% der Ruandesen sind Bauern,
doch die Schule bereitet sie nicht auf diese Aufgabe vor.
Die folgende Tabelle zeigt die Struktur der primären Ausbildung:
(Shyirambere
1978:37)
Das siebente Schuljahr war eine
Vorbereitungsklasse für die Sekundäre Ausbildung, um sprachliche Schwächen
auszumerzen. Mit der Abschaffung dieser siebenten Klasse wurden die
sprachlichen Probleme mit der französischen Sprache in der Sekundarstufe noch
schlimmer.
6.2. Sekundäre Ausbildung (enseignement secondaire)
Diejenigen Schüler mit den besten Noten bei der
Abschlussprüfung der primären Ausbildung dürfen, je nach vorhandenen Plätzen,
in die Sekundarstufe aufsteigen. Sprachliche Schwächen der französischen
Sprache lässt mehr Schüler in der Primärstufe aussteigen, als in der
Sekundarstufe. Im ersten Jahr dieser Stufe werden die Schüler zum ersten Mal
ausschließlich in Französisch unterrichtet, mit einer beträchtlichen
Wochenstundenzahl an Französischunterricht. Diejenigen Schüler, die dieses Jahr
nicht schaffen, steigen auf berufsbildende Schulen um, wie zum Beispiel technische.
Dennoch sind sprachliche Mängel oft für die schlechten Noten in den anderen
Fächern verantwortlich. Wie aus folgendem Diagramm ersichtlich, schließen nur
wenige Schüler ihre sekundäre Ausbildung ab.
(Shyirambere
1978:51)
7. Interferenzen
Im Jahre 1983 wurde ein Inventaire des particularités lexicales du français en Afrique noire
herausgegeben, das die lexikalischen Besonderheiten der französischen Sprache
in den Ländern Benin, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Côte d’Ivoire,
Niger, Ruanda, Senegal, Tschad, Togo und Kongo beinhaltet. So wurden nicht nur
französische Lexeme in einheimische Sprachen übernommen (wie die Namen vieler
technische Geräte), sondern auch einheimische Namen ins Französische, z.B. für
lokale Nahrungsmittel. Weiters erhalten bereits existierende französische
Lexeme eine neue semantische Bedeutung, wie z.B. l’hivernage, was in Frankreich „Winterschlaf“ bedeutet, in Afrika
jedoch die Regenzeit bezeichnet.
Calvet und Moreau[7]
legen anschauliche Beispiele dafür vor: Die Verwendung des Artikels vor
Wochentagen - z.B. Une partie du quartier
de Niaye-Thioker est devenue depuis le jeudi un chantier de démolition.
– oder folgende semantische Verschiebung:
- Je vais au
Boubou Blanc chercher mon linge.
- Comment, tu fais laver ton linge au Boubou Blanc
maintenant ?
- Mais non, c’est mon costume bleu que
j’ai fait nettoyer.
Folgendes Beispiel - Au Sénégal, on n’a pas de
technicien capable d’emmener le joueur à un niveau international
appréciable. - wirft eine berechtigte Frage auf: Ist das Verwenden von emmener statt amener als falsch zu bezeichnen, oder als besondere Variante des
Französischen in Afrika ? Und wenn letzteres gilt, akzeptiere und sanktioniere
ich dann nicht den unzulänglichen Spracherwerb des Französischen bzw. die
niedrige Kompetenz derselben ?
Während die vorherigen Beispiele auf fehlende
präzise Erklärungen der Grammatik bzw. der Semantik zurückgeführt werden
könnten, so zeigt folgendes Beispiel sehr anschaulichen die kulturellen
Unterschiede zwischen Frankreich und Afrika[8].
Während in Frankreich folgende Verwendung von marier möglich ist: Le père
voulait marier Jean et Jeanne. und Jean
(Jeanne) s’est marié(e) avec Jeanne (Jean)., so ist in Afrika folgendes
üblicher: Jean a marié Jeanne, da in
der afrikanischen Kultur der Mann die Frau heiratet. Die Umkehrung (Jeanne a
marié Jean.) ist aus diesem Grund eigentlich nicht denkbar.
Die schwierige Frage nach der Norm des
Französischen – die von Paris oder Akzeptanz lokaler Varianten – versucht Abdou
Diouf, Präsident Senegals, folgendermaßen zu lösen: „Prenons en compte le
français d’Afrique, tout en conservant à la langue sa structure et sa
solidité.“[9]
Letzlich führten diese Probleme auch zur
Einstellung von PPF, das kaum Afrikanismen,
semantische Verschiebungen oder aus dem Wolof übernommene Wörter
beinhaltete. Freilich, ein Französisch wie in Anhang 9.4. als regionale
Variante zu akzeptieren, kann wohl kaum der richtige Weg sein. Doch es wird
immer deutlicher, wie wichtig es ist, eine pädagogische Norm des Französischen
zu definieren, die sich dieser Problematik bewusst ist. Aber anscheinend ist
die immer noch vorherrschende „Ideologie der Konservation“ zu stark, um dies
momentan zu erlauben. Das litterarische Französische gilt als die Norm, weil
ihm der höchste Wert eingeräumt wird. Calvet und Moreau beschreiben den langen
Weg der Veränderung[10]:
De tels changements dans les contenus des
programmes supposent une modification importante des mentalités.
8. Zukunftsperspektiven
Die französische Sprache wird zweifelslos noch
eine geraume Zeit lang eine wichtige Rolle in Afrika spielen. Aus diesem Grund
ist es eine absolute Notwendigkeit, das derzeitige Schulsystem zu reformieren.
Auch wenn es bereits einige gute Ansätze gibt, so ist es doch noch eine weiter
Weg bis zu einem effektiven Schulsystem. Mehrere Ziele müssen abgesteckt
werden:
1. Eine umfassende Reform der Unterrichtsmethoden
in Afrika, insbesondere in Bezug auf Französisch.
2. Eine neue Definition der schulischen Norm, die
sich der Wichtigkeit einheimischer Sprachen bewusst ist, d.h. auch Einschulung
in der Muttersprache, und ein Bewusstmachen der soziokulturellen und
linguistischen Begebenheiten Afrikas.
3. Das Bereitstellen der Infrastruktur, um das
hochgesteckte Ziel von 100% Verschulung der Kinder erreichen zu können.
4. Das Klarmachen der Wichtigkeit von Bildung,
sowohl unter Politikern, als auch dem Volk
Wenn der Weg zu einem gut funktionierenden
Schulsystem auch noch weit ist, so ist ein Großteil Afrikas doch auf dem
richtigen Weg. Nicht nur werden immer mehr Kinder zuerst in ihrer Muttersprache
unterrichtet, sondern die lokalen afrikanischen Varianten des Französischen
erfreuen sich immer größerer Akzeptanz.
So kehren wir wieder zur Titelfrage dieser Arbeit
zurück, die ich hier in Anbetracht des Abgehandelten mit „oui“ beantworten
würde.
Wieviel Umdenken noch in den Köpfen der Menschen stattfinden muss, wird aus dem Interview mit dem Dorfchef von Dinkèna (Burkina Faso) klar, das zwar bereits 1978 stattfand, heute jedoch wohl nicht anders klingen würde:
- Combien avez-vous inscrit d'enfants du
village à l'école, cette année (1978-79) ?
- Aucun
- Pourquoi ?
- On a été prévenu trop tard
et quand on est arrivé les inscriptions étaient closes.
- Alors qu'avez-vous fait ?
- Rien
- Vous trouvez que c'est
important d'envoyer des enfants à l'école ?
- C'est très important ...
(Lanteri 1982:14)
9. Anhang
9.1. Auszug aus dem Lehrerhandbuch von Pour Parler Le Français
9.2. Lesebuch des 5. Lernjahres (Burkina Faso) mit
Inhaltsangabe
9.3. Persönlicher Brief eines malischen Schülers
der 11. Schulstufe
9.4. Beispiel für regionale Variante des
Französischen in Senegal
10. Bibliographie
<Signatur
der Afrikanistik-Bibliothek>
[Signatur
der Romanistik-Bibliothek]
Atangana-Mebara, J.-M. et J.-Y. Martin et
Ta Ngoc C., Education, emploi et salaire
au Cameroun, Unesco: Paris 1984, <Q.3.3.5.>
Arnold, Thierry, Le multilinguisme facteur de développement ou le paradoxe francophone
en Afrique in Chaudenson 1989, 115-131
Barry, Micheline et al., Livre de lecture 5e année,
Institut Pédagogique du Burkina, Larousse: Burkina Faso 1992, <I.3.3.10.>
Batiana, André et Gisèle Prignitz (eds.), Francophonies africaines, Collection
Dyalang : Université de Rouen 1998, p. 67-79, [42.182/FSWph]
Calvet, Louis-Jean et Marie-Louise Moreau
(eds.), Une ou des normes ?
Insécurité linguistique et normes endogènes en Afrique francophone,
Diffusion Didier Erudition : 1998, [43.139/FSWph]
Chaudenson, Robert, Science et développement : sciences du langage dans l’espace
francophone in Chaudenson 1989, 189-200
Chaudenson, Robert & Didier de
Robillard, Langues et Développement,
Marquis: Québec 1989, <H.4.0.29.>
Daff, Moussa, Norme scolaire, norme endogène et stratégies d’enseignement du français
langue seconde en Afrique noire francophone, in: Calvet 1998, p. 93-106
Dumont, Pierre, L’Afrique noire peut-elle encore parler français ?,
L’Harmattan: Paris 1986, <R.IV.103.>
Dumont, Pierre, Le français et les langues africaines au Sénégal, Karthala et
A.C.C.T.: Paris 1983, <G.2.2.1.>
Lafage, Suzanne, Français écrit et parlé en pays Éwé (Sud-Togo), SELAF: Paris 1985,
<H.4.3.7.>
Lanteri, Jean-Francois, Ecole et société rurale en Haute-Volta, le
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Manessy, Gabriel, De la subversion des langues importées : le français en Afrique
noire in Chaudenson 1989, 133-145
Oyhamberry, Gérard, A propos d’une évaluation en français en classe de première en Côte
d’Ivoire, in: Batiana 1998, p. 67-79
Ouane, Adama (ed.), Vers
une culture multilingue de l’éducation, Institut de l’UNESCO pour
l’Education : Hamburg 1995, <H.5.0.13.>
Pöll, Bernhard, Französisch außerhalb Frankreichs. Geschichte, Status und Profil
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Niemeyer: Tübingen 1998, [41.863/FSWph]
Shyirambere, Spiridion, Sociolinguistique du bilinguisme.
Kinyarwanda et français au Rwanda, SELAF: Paris 1978, <B.0.7.3.>
Thiriet, André, Le Sénégal. Population, Langues, Programmes scolaires, Centre de
Linguistique Appliquée de Dakar: 1964 (?), <G.5.1.5.>
[1] Diese Frage wurde von Pierre Dumont als Titel seines Werkes von 1986 gewählt.
[2] Sofern diese eine der Nationalsprachen ist bzw. eine genügend große Sprecheranzahl in dem jeweiligen Land besitzt.
[3] Nach Dumont 1989:15.
[4] Im Anhang 9.3. befindet sich ein persönlicher Brief desselbigen Schülers.
[5] Im Anhang 9.1. befindet sich ein Auszug
aus einem Lehrerhandbuch von Pour Parler
Le Français
[6] Shyirambere, Spiridion, Sociolinguistique du bilinguisme. Kinyarwanda et français au Rwanda, SELAF: Paris 1978.
[7] Calvet, Louis-Jean und Marie-Louise Moreau, Une ou des normes ? Insécurité
linguistique et normes endogènes en Afrique francophone, Diffusion Didier
Erudition : 1998, p. 95
[8] Im Anhang 9.2. befindet sich die Inhaltsangabe und ein Auszug aus einem Französisch-Lesebuch in Burkina Faso, die den kulturellen Unterschied deutlich sichtbar machen.
[9] ibidem p. 98
[10] ibidem p. 105